KI-Leitfaden - Prüfen und Bewerten 📊

Mit dem Einzug Künstlicher Intelligenz in Schule und Unterricht sind bewährte Aufgaben- und Prüfungsformate deutlich unter Druck geraten. Zunehmend rückt dabei die Frage ins Zentrum, wie Leistungen auch unter den veränderten Bedingungen zukünftig noch zuverlässig abgeprüft und bewertet werden können.

Die damit einhergehenden didaktischen Überlegungen sind jedoch keinesfalls trivial und es ist weiter ungeklärt, wie eine notwendige Neuausrichtung der schulischen Aufgaben- und Prüfungskultur konkret in der Praxis aussehen könnte. Entsprechend groß ist der Bedarf nach Orientierung, vor allem hinsichtlich der praktischen Umsetzung im Unterricht.

Diese Orientierung wollen Joscha Falck und ich geben und haben dazu einen weiteren Leitfaden zum Einsatz von KI im Unterricht entwickelt. Teil III unserer Serie widmet sich zentral den Fragen rund um das Prüfen und Bewerten mit, über und durch KI.

Nachfolgend erhaltet ihr einen Überblick zu unseren Leitgedanken, eine entsprechende Einordnung und bekommt den neuen KI-Leitfaden natürlich zum kostenfreien Download!

Zentrale Überlegungen und Leitgedanken 🧭

Wir gehen davon aus, dass die fortschreitende Entwicklung von KI eine Neuausrichtung schulischer Aufgaben- und Prüfungsformate unabdingbar macht.

Dies sollte nicht nur mit Blick auf mögliche Täuschungen, sondern auch aufgrund immer wichtiger werdender Zukunfts- und KI-Kompetenzen (Verstehen, Anwenden, Reflektieren, Mitgestalten) geschehen.

In der Konsequenz erfordert dies ein anderes Aufgaben- und Prüfungsdesign, welches zeitgleich erweiterte Formen der Bewertung berücksichtigt. Hierzu haben wir konkrete Leitgedanken formuliert, die den grundsätzlichen Rahmen für eine veränderte Prüfungspraxis abstecken:

  • Eine erweiterte Prüfungskultur umfasst die Dimensionen Prüfen mit, über und durch KI (ausführlich hier). Prüfen ohne KI muss trotzdem weiter eine Rolle spielen, u. a. zur Überprüfung von Basiskompetenzen.

  • Prüfungsformate, die keine verlässliche Überprüfung eigenständiger Leistungen ermöglichen, müssen weiterentwickelt werden oder gehören abgeschafft (vgl. KMK-Handlungsempfehlung).

  • (Ergänzende) mündliche Prüfungen sowie kreative/alternative Prüfungsformate mit und ohne KI-Einsatz gewinnen dadurch an Bedeutung.

  • Neben der Mehrdimensionalität (mündlich, schriftlich, praktisch, digital) muss der Arbeits- und Lernprozess bei der Bewertung eine größere Rolle spielen.

  • Je mehr KI eingesetzt wird, desto wichtiger wird das Nachdenken über die eigene Arbeit. Die Reflexion des KI-Einsatzes ist neben inhaltlichen Anforderungen eigener Prüfungsinhalt bzw. eine zusätzliche Prüfungsleistung.

  • Zur gezielten Gestaltung KI-integrierender Prüfungen dienen KI-bezogene Kompetenzraster als Orientierung. Zur Bewertung braucht es KI-bezogene Erwartungshorizonte mit eindeutigen Operatoren (ausführlich hier).

Gestaltungsaspekte neuer Prüfungsformate 🖌️

Für die anschließende, konkrete Erstellung neuer Prüfungsformate erfordert es eine strukturierte und differenzierte Betrachtung verschiedener Gestaltungsaspekte.

Ausgangspunkt der Prüfungsplanung müssen zweifelsohne weiter die Inhalte und Kompetenzen sein, die abgeprüft werden sollen. Im Zuge der Planung müssen dann Überlegungen angestellt werden, wie die (KI-integrierende) Prüfung konkret aussehen soll.

Hierfür haben wir uns für eine Darstellung in Form von Schiebereglern entschieden, die sich auf einer horizontalen Achse bewegen. Zentrale Gestaltungsaspekte sind aus unserer Sicht:

  1. Prüfungssetting/Organisation der Prüfung

    • von: „Präsenzprüfung mit Aufsicht“

    • bis: „Prüfung ohne Aufsicht“

  2. Einbindung von KI-Inhalten

    • von: „KI ist kein Gegenstand der Prüfung“

    • bis: „KI ist Thema/Gegenstand von Prüfungsaufgaben“

  3. Einsatz von KI-Tools als Hilfsmittel

    • von: „KI ist nicht als Hilfsmittel erlaubt“

    • bis: „KI ist als Hilfsmittel erlaubt“

  4. Bewertungsperspektive

    • von: „Der Bewertungsfokus liegt auf dem Produkt“

    • bis: „Der Bewertungsfokus liegt auf dem Prozess“

  5. Kompetenzfokus

    • von: „Fokus auf Fachinhalte & Fachkompetenz“

    • bis: „Fokus auf KI-Reflexion und überfachliche Kompetenzen“

Durch die Position der Regler lässt sich ein Spektrum möglicher Prüfungsformate ableiten – von Prüfungen ohne aktiven KI-Einsatz über Prüfungen mit punktuellem KI-Einsatz bis hin zu Prüfungen mit vollumfänglicher KI-Nutzung.

Drei Prüfungsformate für die Umsetzung in der Unterrichtspraxis 🧑‍🏫

Im Hinblick auf die konkrete Umsetzung in der Unterrichtspraxis erscheint uns eine Aufteilung nach drei KI-bezogenen Prüfungsformaten als sinnvoll:

  1. Prüfungsformate ohne (aktiven) KI-Einsatz

  2. Prüfungsformate mit punktuellem KI-Einsatz

  3. Prüfungsformate mit vollumfänglichem KI-Einsatz

Innerhalb dieser drei Prüfungsformate muss nochmals differenziert werden, ob die Aufgaben bzw. Prüfungen in Präsenz/unter Aufsicht oder außerhalb des Unterrichts bearbeitet werden bzw. abgelegt werden.

  1. Prüfungsformate ohne (aktiven) KI-Einsatz

    Diese Prüfungsform orientiert sich an klassischen Formaten, etwa Klausuren unter Aufsicht, (ergänzenden) mündlichen Prüfungen oder Fachgespräche.

    Aufgaben, die hingegen außerhalb des Unterrichts bearbeitet werden und bewertet werden sollen, müssen KI-resilienter gestaltet sein. Eine vollständige Bearbeitung von Aufgaben durch KI kann erschwert werden, indem etwa auf persönliche Einschätzungen, praktische Umsetzungen oder analoge Prüfungsformate gesetzt wird.

    Der Fokus der Bewertung liegt hier klar auf dem Endergebnis bzw. Produkt, eine KI-bezogene Reflexion wird nicht erwartet.

  2. Prüfungsformate mit punktuellem KI-Einsatz

    Hierbei wird KI punktuell bzw. phasenweise in den Prüfungsprozess integriert, zum Beispiel in Form von KI-Feedback oder dem KI-Einsatz als Schreibassistenz.

    Die Prüfungen können unter Aufsicht und grundsätzlich auch außerhalb des Unterrichts stattfinden, wobei Formate gezielt so entwickelt werden sollten, dass der punktuelle KI-Einsatz gefördert wird oder bestenfalls sichergestellt werden kann.

    Hierfür braucht es kreative Ansätze, die sowohl KI-integrierende als auch KI-resilientere Elemente enthalten. Denkbar ist etwa die Bereitstellung von spezialisierten KI-Tools oder Custom-Bots in Prüfungssituationen, die nur bestimmte Aufgaben übernehmen – zum Beispiel ausschließlich Feedback zu Texten geben oder nur bei der Ideenfindung unterstützen, ohne selbst ganze Texte zu verfassen.

    Auch bei Prüfungsformaten mit punktuellem KI-Einsatz liegt der Bewertungsschwerpunkt überwiegend auf dem Endergebnis. Zusätzlich können KI-bezogene Reflexionsschwerpunkte in die Bewertung einfließen. Je nach Ausgestaltung der Aufgabe kann dies etwa die punktuelle Bewertung eines KI-Outputs, der Vergleich von Lösungsansätzen oder die Reflexion der Koaktivität mit KI sein.

  3. Prüfungsformate mit vollumfänglichem KI-Einsatz

    In dieser dritten Kategorie wird KI als integraler Bestandteil der Prüfung verstanden. Sie kommt vollumfänglich bei der Bearbeitung von Aufgaben zum Einsatz, beispielsweise in Projekt- und Facharbeiten (unter Einhaltung vorher vereinbarter KI-Regeln, z. B. AI Policy), Portfolios, mehrdimensionale, kreative Projektformate oder anderen alternativen Prüfungsformaten.

    Diese Formate verlangen von Lernenden eine umfassende Reflexion über die KI-Nutzung, etwa durch die Auswahl und Bewertung von KI-Ergebnissen, die Begründung von Entscheidungen oder die Ableitung eigener Erkenntnisse. Auch bei diesem Format ist der Einbezug KI-resilienterer Aufgabenstellungen sinnvoll.

    Die Bewertung bezieht sich daher nicht nur auf das Endprodukt, sondern nimmt verstärkt den Lern- und Arbeitsprozess sowie die Meta-KI-Reflexion in den Blick. Die Reflexion ist umfänglich Und geschieht anhand von konkreten Leitfragen, sowie konkreten Textstellungen und Beispielen.

Die wichtigsten Aspekte kompakt und praxisnah in einem KI-Leitfaden!

Um Lehrkräfte bestmöglich bei der Neuausrichtung der eigenen Aufgaben- und Prüfungskultur zu unterstützen, haben wir die wichtigsten Punkte in einem weiteren, kompakten Leitfaden für euch zusammengefasst. Aufbau und Layout schließen an unsere ersten beiden Leitfäden an:

Im Unterschied zu den ersten beiden Versionen richtet sich der dritte Leitfaden nur an Lehrkräfte. Neben einer kurzen Vorbemerkung haben wir die oben vorgestellten Leitgedanken einer neuen Prüfungskultur, die konkreten Gestaltungsaspekte, die Hinweise für die praktische Umsetzung sowie abschließende Handlungsempfehlungen für Lehrkräfte zusammengestellt.

Da das Thema sehr komplex ist und auf zwei Seiten nicht abschließend behandelt werden kann, sind einige weiterführende Beiträge verlinkt.

KI-Leitfaden – Prüfen und Bewerten zum kostenfreien Download 📥

KI-Leitfaden – Prüfen und Bewerten als bearbeitbare Version 🧰

Auch unser dritter Leitfaden erhebt selbstverständlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Zudem sollten auch individuelle Bedingungen an Schulen und im Unterricht im Leitfaden Berücksichtigung finden. Aus diesem Grund erhaltet ihr zusätzlich eine entsprechend bearbeitbare Version des Leitfadens.

Insbesondere bei Fragen von Prüfungsleistungen und Bewertungen empfehlen wir, mit der jeweiligen Fachschaft und der Schulleitung Rücksprache zu halten. Bei datenschutzrechtlichen Fragestellungen sollte der schulische Datenschutzbeauftragte hinzugezogen werden.

KI-Leitfaden – Prüfen und Bewerten als bearbeitbare Canva-Vorlage 👩‍🎨

Die Bearbeitung des Leitfadens ist ebenfalls mit unseren bereitgestellten Canva-Vorlagen möglich, die ihr über den nachfolgenden Link in eurer Canva-Konto kopieren und anschließend überarbeiten und anpassen könnt.

Veröffentlichungshinweise 📖

Die Leitfäden wurden mit einer CC-Lizenz (CC-BY-SA 4.0) veröffentlicht und können entsprechend verwendet, bearbeitet und weitergegeben werden. Wir bitten in diesem Fall jedoch um Namensnennung und im Falle einer Veröffentlichung einer angepassten Version um Weitergabe unter gleichen CC-Bedingungen.

Unser dritter KI-Leitfaden samt zugehöriger Einordnung ist zeitgleich auf dem Blog von Joscha Falck erschienen. Joscha Falck ist Lehrer und Schulentwicklungsmoderator in Mittelfranken. Ferner ist er Redaktionsmitglied bei IQESonline und als Fortbildner, Referent, Blogger und Autor tätig. Seine inhaltlichen Schwerpunkte sind Digitale Medien, Schul- und Unterrichtsentwicklung sowie KI im Schul- und Unterrichtskontext.

Zu guter Letzt 👍

Wir hoffen, dass der KI-Leitfaden euch dabei unterstützt, eine KI-integrierende Prüfungskultur zu entwickeln und diese schrittweise in euren Unterrichtalltag zu implementieren.

Schaut auch unbedingt in unseren Leitfaden Teil I und Leitfaden Teil 2 rein, die den hier vorgestellten KI-Leitfaden inhaltlich ergänzen.

Darüber hinaus freuen wir uns natürlich über Rückmeldungen und Feedback zum Leitfaden, euren Erfahrungsberichten beim Einsatz sowie mögliche Adaptionen.

Schreibt eure Gedanken zum KI-Leitfaden gerne in die Kommentare!

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AI Policy – Ein Leitfaden für den KI-Einsatz bei wissenschaftlichen Arbeiten ✍️